Hallo Zusammen, nun möchte ich euch ein fachliches Thema näher bringen bzw. meine Erfahrung teilen. Heute geht es um den Parameter Losgröße. Die Parameter der Fertigungssteuerung und Disposition sind für mich sehr wichtig, weil viele Menschen der Ansicht sind, sie könnten einen Parameter einfach aus dem Ärmel schütteln und dann ohne groß darüber nachzudenken für eine komplette Produktpalette festlegen. Dem ist aber, zumindest nach meinen Erfahrungen, nicht so.

Die Losgröße ist eine immer wiederkehrende Größe im produzierenden Gewerbe. Richtig gewählt hat sie positiven Einfluss auf die Kosten, die Produktivität, den Servicegrad, die Flexibilität und noch viele mehr. Um mit den gewählten Parametern im Unternehmen erfolgreich zu sein, ist es wichtig die Ziele des Unternehmens zu kennen. Steht die Liefertreue bei einem großen Produktportfolio im Vordergrund, so neigt man schnell dazu eine möglichst kleine Losgröße zu verwenden, warum nicht sogar zum One-Piece-Flow übergehen. Aber Vorsicht! Sind nicht alle Hausaufgaben in der produzierenden Abteilung gemacht oder sind die Produktionsprozesse zu komplex oder energieaufwendig, so fliegen einem schnell die Produktionskosten und die Produktivität um die Ohren. Ich hatte das Glück bisher komplexe Fertigungen planen und steuern zu dürfen. Dabei spielt die Unternehmensphilosophie immer eine entscheidende Rolle.

Eine Grundsatzfrage sollte immer als Erstes geklärt werden: Wird auf Abruf/Bedarf produziert oder auf Lager. Bei der Lagerproduktion geht es in der Regel um Massenware und ein entscheidendes Ziel dabei ist, die Herstellungskosten möglichst gering zu halten. Somit sind bei der Lagerproduktion sehr große Losgrößen nicht selten. Bei der bedarfsorientierten Produktion wird es schon spannender, denn hier muss die Balance zwischen Kosten, Produktivität und Liefertreue gefunden und kontinuierlich angepasst werden. Dazu stehen eine ganze Reihe an Einflussfaktoren parat wie z.B.:

  • Hohe oder niedrige Bedarfe
  • Häufiger, regelmäßiger oder seltener Abruf
  • Fixe oder flexible Abrufmengen
  • Behälterfüllmengen hoch oder niedrig, Sperrgut,
  • Materialverfügbarkeit gut oder seltene Materialien
  • Komplexe oder sehr einfache Herstellprozesse
  • Viele oder wenige Prozessschritte
  • Viele oder wenige Baustufen
  • Viele oder wenige Einzelteile
  • Viele oder wenig Ausschuss/Restmaterial
  • Hohe oder geringe Wartezeiten
  • Hohe oder niedrige Qualitätsanforderungen
  • Keine, einzelne oder viel externe Bearbeitung

Man kann diese Fragekette sicherlich noch ewig weiterspinnen und in der Regel, wird es auf die Punkte keine eineindeutige Antwort geben. Je mehr Produkte und umso mehr Technologien vorliegen, umso komplexer wird die ganze Angelegenheit.

In meinen bisherigen Erfahrungen war es schon immer ein bunter Blumenstrauß an verschiedenen Faktoren. So liegen in meiner Verantwortung Teile mit hohen Abrufen und Einzelabrufen sowie Allem, was dazwischen liegt. Es handelt sich dabei um ganz einfache Teile bis hin zu äußerst komplexen/umfangreichen Teilen. Dabei trifft die Einfachheit keinerlei Aussage über die Abrufmengen oder die Bauteilgröße. Zeitgleich ist die Lagermöglichkeit stark beschränkt und das innerhalb der Produktion, sowie im Warenausgangslager. Alles in allem eine verzwickte Angelegenheit, bei welcher der Fokus auf der Liefertreue mit einer zeitgleich möglichst hohen Produktivität liegt, was man heutzutage als „industriellen Standard“ bezeichnen kann.

Wer sich nun hier eine einfache Faustregel erhofft, den muss ich leider enttäuschen. So gerne ich diese auch präsentieren würde, so ist es mir nicht möglich. Auch ich muss mich mit jedem Produkt bzw. jedem Produkttyp und Unterprodukt befassen. Zur Erleichterung kann man ähnliche Produkte zu Gruppen zusammenfassen, aber auch das ist nicht einfach aus dem Ärmel geschüttelt. Wo fängt man an, wo hört man auf? Welche Eigenschaften eignen sich um eine Gruppe zum Einstellen einer Losgrößenregel festzulegen. Neben Produkten, welche nur zwei ganz einfache Prozessschritte haben, gibt es im Portfolio auch jede Menge Produkte mit drei oder mehr Baustufen, welche wiederum aus sehr vielen Einzelteilen bestehen und das bei Abrufmengen, welche unterschiedlicher kaum sein können.

Auch der Einsatz von externen Partnern ist nicht immer strategisch ausgerichtet, sondern gelegentlich wild aufgebaut aus einer kapazitiven Notsituation heraus. Ist die Summe der Produkte, welche bei externen Partnern bearbeitet werden, hoch, so wird die Korrektur des extern bearbeiteten Produktspektrums zum Vollzeitjob. Auch muss man die Auswirkungen der externen Bearbeitung bei der Wahl der Losgröße beachten. So hat die externe Bearbeitung entscheidende andere Betrachtungspunkte. Schnell wird aus einer 6-stündigen internen Durchlaufzeit für einen Prozess eine 7 Arbeitstage lange Durchlaufzeit extern. Auch ist das Interesse an kleinen Losgrößen, welche eine hohe Flexibilität und niedrige Bestände sichern sollen, bei Lohnbearbeitern nicht gegeben. Hierfür zahlt man deutlich drauf. Bei der Bearbeitung von Mindermengen sowie beim Transport und den dazugehörigen logistischen Tätigkeiten und Buchungsaufwendungen.

Machen wir es an einem Beispiel

Nehmen wir als Beispiel ein Produkt, welches zu 6 Stück in eine Gitterbox passt, am Tag 35 Stk. beim Kunden benötigt werden und welche eine Durchlaufzeit im Produktionsprozess 1 von 10  Minuten pro Stück haben. Die Gitterboxen sind nicht stapelbar, da die Produkte darüber hinausstehen. Sonderladungsträger sind durch die Vielzahl an Produkten nicht möglich. Bei den Unterprodukten handelt es sich zumeist um sehr einfache Teile. Hinzu kommt ein Einkaufteil, welches zu 200 Stück zugekauft wird und zu 2 Stück in das Produkt einfließt. Da die Unterteile leicht stapelbar sind, ist eine Produktion eines Wochenloses unproblematisch. Ausgenommen ein Teil, hiervon passen nur 10 Stk. auf eine Europallette ohne Aufsetzrahmen durch Übergröße. 

Die Produktion wünscht sich zumeist große Losgrößen, um möglichst produktiv arbeiten zu können und möglichst wenig rüsten zu müssen. Logistisch stoßen wir bei der internen Produktion an zwei Probleme. Zum einen können keine großen Mengen des Einzelteils mit Übergröße gelagert werden. Durch das Fehlen des Aufsetzrahmens sind die Ladungsträger nicht stapelbar und nehmen somit viel Lagerfläche weg. Ohnehin benötigt man bei einer Tagesproduktion schon vier Stellflächen für Europalletten. Bei einem Wochenlos wären es schon 18 Stellflächen. Hat man eine Produktion mit wenig Produkten und viel Freiraum mag dies eventuell möglich sein. Bei den Produktionen, welche ich bis jetzt kennenlernen durfte, waren die meisten Lagerflächen belegt und das Portfolio umfänglich. Auch wird zum Produktionsausbau schnell an Logistikfläche gestrichen. Es ist also ein Limit zu setzen bezüglich der Mengen an Ladungsträger. Ähnlich ist es für das fertige Produkt, wieviel Ladungsträger kann die Fertigung aufnehmen. Nun kommt hier der interne Materialfluss noch zum Tragen. Ist es eine Flussproduktion, wo behälterweise das Produkt zum nächsten Produktionsprozess fließt und von dort aus behälterweise zum nächsten oder handelt es sich um eine Werkstattfertigung und das komplette Los wird erst fertig gestellt und fließt dann komplett zum nächsten Prozess. In einer Werkstattfertigung kommt nun ein ähnliches Flächenproblem zum Tragen wie bei dem Einzelteil mit Übergröße. Es nutzt nix, bei der internen Fertigung muss eine kleine Losgröße gewählt werden.

Was passiert aber bei einer externen Produktion. Hier können wir nicht jeden Tag ein Tageslos zu einem Lohnbearbeiter schicken. Jetzt ist ebenfalls Fingerspitzengefühl gefragt. Wieviel Material bekomme ich auf einen Trailer? Denn dieser gibt ab jetzt eine feste Größe im Fertigungsprozess an. Und das nicht nur beim fertigen Produkt, sondern auch bei den Einzelteilen. Hier darf man auch den Leerguttransport nicht außer Acht lassen. Und es geht noch weiter, denn nun muss ich, um ein ausgewogenes Los herzustellen, mehr Fläche für die Einzelteile planen, denn die Problematik mit dem übergroßen Teilprodukt besteht noch immer. Nach der externen Bearbeitung kommt ein weiteres Problem auf uns zu, eine komplette Trailerladung des Produktes kommt auf einmal, um am nächsten Produktionsprozess bearbeitet zu werden. In Summe also erneut problematisch. Hierzu kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen: behaltet wenn möglich die Rennerteile intern und lasst Teile mit nicht so großem Volumen und Abrufmengen extern bearbeiten. Leider ist dies nicht immer möglich.

Meine Herangehensweise

Nun habe ich ja schon geschrieben, dass es keine allgemeingültige Lösung gibt. Dennoch muss ein Ansatz her. Bei einem Produkt wie es oben beschrieben ist, gehe ich nach folgenden Punkten vor:

  • Die minimale Losgröße orientiert sich an einem Bearbeitungszeit zu Rüstzeitverhältnis von ≥ 2:1
  • Die maximale Losgröße beträgt 6 Großladungsträger (je nach verfügbarer Fläche) oder die Anzahl an Kleinladungsträgern, die in einen Großladungsträger passen (es gibt natürlich Sondergrößen, für welche andere Regeln festgelegt werden können/sollten)
  • Ein weiteres Limit setzt die maximale Bearbeitungszeit. Hierzu stimme ich mich mit der Produktion ab. Bei zu langer Bearbeitungszeit, mindert dies die Flexibilität des produzierenden Bereiches
  • Die Behälterfüllmengen der Einzelteile müssen an das Endprodukt angepasst werden
  • Gibt es eine fixed Zone, d.h. einen Zeitbereich, in dem beim Kunden keine Abrufänderungen mehr vorgenommen werden, so sollte die Losgröße diesen Zeitraum nicht überschreiten (oberes Limit)
  • Sind die Parameter abgesteckt, dann wähle ich das größtmögliche Los
  • Bei externer Bearbeitung schickt man mehrere Bauteile mit einem Trailer wenn möglich
  • Um Fläche für die externe Bearbeitung zu sparen, kann man mit Wechseltrailern arbeiten
  • Limitiert werden die Teile extern dann durch die maximale Bearbeitungszeit des nachfolgenden internen Bearbeitungsprozesses oder durch die fixed Zone

Dies ist das Beispiel einer Herangehensweise, welche ich anwende. Diese bezieht sich auf die Werkstattfertigung und sieht bei einer Fließfertigung anders aus. Natürlich gibt es aber auch Materialien, bei denen die oben genannte Herangehensweise nicht greift und man andere Entscheidungsparameter beachten muss.

Da dieser Blogeintrag schon sehr umfangreich ist, werde ich später an diesen Eintrag anknüpfen. Auch das Thema Werkstattfertigung, Fließfertigung, was kommt dazwischen und wie gestaltet man am besten den Weg dorthin, werde ich in einem separaten Blogeintrag behandeln.

Viele Grüße,

Euer Fertigungssteuerer

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